Interview
Unsere Redaktion führte zu diesem Anlas ein Gespräch mit Dr .med. Andrea Gabis, Ärztliche Direktorin Privatklinik Martinsbrunn und mir Dr. med. Christoph Lerchen, Ärztlicher Direktor Herz-Jesu Krankenhaus Dernbach/Westerwald ein Interview:
Redaktion
Frau Dr.Gabis, Herr Dr.Lerchen, Sie sind zum zweiten Male verantwortlich für die Durchführung der internationalen Fortbildungswoche „Palliativ ohne Grenzen“ in Meran. Was ist das Besondere an diesem Fortbildungskonzept, und warum ist es erfolgreich?
Lerchen
Wer in palliativen oder hospizlichen Diensten arbeitet, tut dies immer im Team. Palliative Care geht nicht alleine. Viele Berufsgruppen sind beteiligt. Wenn wir uns also täglich am Arbeitsplatz in einen Teamauftrag wiederfinden, so ist es widersinnig, dass sich die beteiligten Berufsgruppen getrennt fortbilden, wie es immer noch üblich ist. Palliativ ohne Grenzen meint also in erster Linie eine „grenzenlose“ Fort- und Weiterbildung, grenzüberschreitend innerhalb der beteiligten Berufsgruppen und auch landesgrenzenüberschreitend. Und wir bieten mit dem Projekt die Plattform hierfür.
Redaktion
Nun werden Teams auf Grund ihres Versorgungsauftrages ja nicht komplett teilnehmen können, wo bleibt da der Teamgedanke?
Gabis
Die Fortbildungswoche ist aus diesem Grunde zweigeteilt. In der ersten Wochenhälfte findet ein Selfcare-Workshop statt, der bewusst der Frage nachgeht, wie man in körperlich und emotional stark belastenden Berufsfeldern auch langfristig tätig sein kann, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. In diesem Jahr trägt der Workshop den bezeichnenden Titel: „Wieviel Leid (v)erträgt ein Team?“ In der zweiten Wochenhälfte folgt dann das Internationale Symposium zu Grenzthemen unseres palliativen oder hospizlichen Auftrages. Teams können sich also aufteilen, und sie treffen zusammen mit Teammitgliedern anderer Einrichtungen. Also insgesamt eine Woche lang Teamtage, von Teams und für Teams.
Redaktion
Wie gelingt es, ein Programm zu gestalten, das für alle Berufsgruppen gleichermaßen ansprechend ist?
Lerchen
Themenauswahl und Angebote folgen einem hohen fachlichen Anspruch und sind doch sehr praxisorientiert. Aus der Praxis und für die Praxis, könnte man diesen Anspruch umreißen. Die Themenstellung richtet zudem einen besonderen Blick auf die Ganzheitlichkeit in der Begleitung Schwerstkranker und Sterbender. Die Stärkung der sozialen Kompetenzen aller Teilnehmer ist uns in unserem Konzept wichtiger als ein rein wissenschaftlicher Anspruch. Alle Referenten sind Experten im Fachgebiet, aber auch selbst Teammitglieder in palliativen Teams. Palliativ ohne Grenzen will eine Plattform der Begegnung und des Austausches auf Augenhöhe aller Beteiligten. Grenzenlos und hierarchielos.
Redaktion
Ihre Themenauswahl und in Ihr Rahmenprogramm bietet kulturelle und vor allem spirituelle Angebote, findet das in der heutigen Zeit noch Anklang?
Gabis
Wenn wir Ganzheitlichkeit sagen, meinen wir den Menschen mit all seinen Bedürfnissen, seien sie medizinisch-pflegerisch, psychosozial oder spirituell. Ganzheitlichkeit schließt Halbherzigkeit aus. Und damit sind auch wir gefordert, auf unsere Wurzeln zu schauen. Wo sind wir gehalten, wer trägt eigentlich uns ? Auch wenn die Religiosität der Menschheit in unserer abendländischen Kultur im Abnehmen begriffen ist so bleiben die spirituellen Bedürfnisse der uns anvertrauten Menschen bestehen. Und somit ist Spiritualität ein wichtiges und aktuelles palliatives Thema. Und die Rückkopplungen der Teilnehmer aus dem letzten Jahr geben uns recht.
Redaktion
Sie benutzen den Begriff „Grenzbereiche“ in Ihrem Programm. Was kann man sich hierunter vorstellen?
Lerchen
Grenzbereiche sind Bereiche, in denen wir uns positionieren müssen. Da kommt es auf unsere eigene Haltung an. Da prägt unsere Haltung Verhalten. In ganz Europa wütet zum Beispiel die Sterbehilfediskussion und treibt die unterschiedlichsten Auswüchse. Palliative und hospizliche Therapie muss hier eine eindeutige und verständliche Sprache sprechen. Palliativmedizin schließt aktive Sterbehilfe aus. Es gilt, einen Schutzraum bewahren, in dem nicht aktive Sterbehilfe die Antwort sein darf, wenn Menschen schwerst getroffen durch Krankheit und Leid auf der Zielgeraden ihres Lebens angekommen sind.
Redaktion
Grundlage des Projektes ist eine partnerschaftliche Verbundenheit zweier Palliativzentren. Wie kann man sich das vorstellen?
Gabis
Sowohl die Privatklinik Martinsbrunn in Meran als auch das Herz-Jesu Krankenhaus in Dernbach betreiben Palliativstationen für einen großen Einzugsbereich. Beide Kliniken sind konfessionelle Einrichtungen in der Trägerschaft von Ordensgemeinschaften, den Barmherzigen Schwestern von Meran und den Armen Dienstmägden Jesu Christi in Dernbach. Auch die Leitbilder sind konform. Auf dieser Basis ist es leicht, sich inhaltlich abzustimmen. Der Förderverein Palliative Care Martinsbrunn und die PalliativAkademie Katharina Kasper in Dernbach übernehmen den organisatorischen Part. Herzliche Verbundenheit der Beteiligten beider Länder und unsere südtiroler Gastfreundlichkeit sorgen für den Rest.
Redaktion
Und wie geht es weiter?
Lerchen
Nach dem Kongress ist vor dem Kongress. Die Zukunft beginnt heute, wir planen schon jetzt für 2013. Wieder in der Woche von Christi - Himmelfahrt wird Palliativ ohne Grenzen in gleicher Konzeption in Meran stattfinden.
Wir sind der Überzeugung, dass die Zukunft der Teamfortbildung gehören wird, grenzenlos multiprofessionell und international. Wir freuen uns.
Redaktion
Frau Dr.Gabis, Herr Dr.Lerchen, vielen Dank für das Gespräch.